Liebe Leserin und lieber Leser, Selbstdisziplin ist Ihnen selbstverständlich, die jedoch wann versagt? – Wenn es um Pausen, um Stille geht. Dann übernimmt der „Dopamin Loop“ die Macht. So nennen Neurowissenschaftler das unstillbare Verlangen des Gehirns nach Beschäftigung. Wenn es nichts mehr zum Nachdenken gibt, grübelt es. Das ist die Komfortzone des Managergehirns.
Sie haben sich vorgenommen, mehr Ruhepausen zu machen, haben sich dafür die Zeit freigeschaufelt, könnten in Ruhe faulenzen und an nichts denken. Aber: Keine Ruhe tritt ein, keine Entspannung, sondern ein nicht enden wollender Strom von Gedanken und Vorstellungen bestürmt Ihr Gehirn: Belanglosigkeiten, zu Erledigendes, ohne Prioritäten, alles erscheint gleich wichtig. Das Gehirn will nicht angekommen, nicht zufrieden sein und sich auf gar keinen Fall langweilen. Es fürchtet den Stillstand, die Leere, die Stille. Manche Menschen kennen keine Pausen mehr. Bereits die kleinste Zugverspätung oder ein Stau verstört und verstimmt sie.
Pausen müssen keinen Zweck erfüllen. Gleichzeitig sind sie die Inspirationsquelle für neue Lösungen und Ideen.
Erling Kagge1, der norwegische Autor, Abenteurer und Entdecker hat dies bewegend in seinem preisgekrönten Überraschungsbestseller „Stille“ beschrieben. „Je stiller es wurde, desto mehr hörte ich ... eine ohrenbetäubende Stille.“ Er hat die Stille überall gefunden auf seinen Expeditionen, zum Süd- und zum Nordpol, auf den Mount Everest – und in seinem Alltag. Kagge betont im Interview, „… dass die Facetten des Lärms immer mehr werden. Dass wir die Ruhe als Gegenpol brauchen, ist banal, klar. Aber ich entschied mich, darüber zu schreiben, weil sich die meisten Bücher, die ich über Stille las, vor allem um Meditation, Achtsamkeit, Zen drehten, um das Leben im Kloster für eine Woche oder ein Jahr. Diese Wege verlangen, dass du eine Technik anwendest, Geld ausgibst oder dein Zuhause hinter dir lässt. Wie absurd das ist, weiß ich, weil ich auch schon nach Sri Lanka geflogen bin, um Yoga zu machen.“2
Die Stille ist der Aufenthaltsraum für das Ankommen im eigenen Selbst. Ohne sie gibt es keine neuen Erkenntnisse, keine Kreativität.
Der geschäftige Alltag, die ebenso geschäftige „Entspannung“ beim Sport, Lesen oder Kochen, die Impulse durch Smartphones, Tablets, Laptops, TVs, das alles befeuert die ganze Zeit das Gehirn. Selten mit Wichtigem, meist gar Nichtigem. Der „Dopamin Loop“ will ständig viele Impulse. Jede Ansprache, jeder Klick, jedes Bild, jede banale Aktivität ist eine kleine Belohnung. Ein Bedürfnis, das gezielt und perfekt von Apps, Social Media und Portalen erfüllt wird. Geeignet, um eine Sucht zu entwickeln. Ein Bedürfnis, das im Job gerade intelligente und ambitionierte Menschen wie Sie dazu verleitet, dass sie mit Begeisterung an schwierige Probleme herangehen – einem nachwachsenden Rohstoff. Das spüren Ihre Teams und Kollegen und versorgen Sie mit Ihrem Dope. Ein Aufsichtsrat, dessen Company unter der Regie erfahrener Vorstände blendend läuft, entdeckt in Präsentationen seiner Controller allzu gern ein vermeintlich ernstes Problem oder Risiko, auf das er sich nun eifrig stürzt, es seziert und analysiert, dramatisiert und evaluiert.
Stattdessen – einfach mal raus aus dem „Dopamin Loop“: Nichts tun. Ankommen und verweilen. Mit frischem Anfängerblick draufschauen. Dann kommt das Staunen. Hier sind neue Ideen. Nun wissen Sie wieder, wer Sie sind, woher Ihre Erfolge stammen, was Sie anstreben, und warum. Hier ist Gehirnerholung. Durchatmen. Tiefenentspannung. Ankommen bei sich selbst. Im eigenen Leben zu Hause sein.
Wir sind an Ihrer Seite.
Ihre Dorothea Assig + Dorothee Echter
1 Erling Kagge: Stille. Ein Wegweiser. Insel Verlag, 2017
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