Liebe Leserin und lieber Leser! Je erfolgreicher und prominenter Menschen sind, umso größer die Aufmerksamkeit. Der Grat zwischen erwünschter Aufmerksamkeit und Hohn und Spott ist sehr schmal. Das mussten viele Menschen schmerzlichst erfahren. Mit Sicherheit wird Bettina Wulff jeden Tag ihr verheerendes Buch bereuen und Karl-Theodor zu Guttenberg seine desaströsen Interviews. Aber es geht auch eine Nummer kleiner, wenn Topmanagerinnen und Topmanager in Interviews nach ihren peinlichsten Augenblicken gefragt werden und sie bereitwillig Antwort geben. Wie sie sich nach dem Rausschmiss fühlen, ganz authentisch. Oder wenn sie sich verführen lassen, öffentlich das Versagen ihres Ex-Chefs oder ihres Vorgängers zu erläutern. Die Fragen sind ganz harmlos, verständnisvoll, die Interviewerin ist für ihre seriöse und wertschätzende Berichterstattung bekannt, und steht tatsächlich auf der Seite der Befragten, will nur das Beste. Und die Begleitmelodie der Fragen klingt so:

• Es ist souverän, wenn jemand über Schwächen sprechen kann.
• Moderne junge Managerinnen und Manager hätten mit den Konflikten, die jemand hat, kein Problem, das wirke im Gegenteil doch sehr sympathisch.
• Das gehört doch zum Leben dazu.
• Leser verstehen die erlebten Krisen als Teil einer großen Persönlichkeit.

Nein, und nein! Aufmerksamkeit ist keine Reputation. Wenn Prinz Charles, Hilary Clinton oder Pep Guardiola von einem Missgeschick erzählen, mag sie das noch sympathischer oder noch großartiger aussehen lassen. Für alle anderen Menschen gilt: Aufmerksamkeit ist knapp, und wenn die Gelegenheit da ist, muss sie ausschließlich genutzt werden, um kommunikativ und medial das zu unterstützen, was jemand Gutes in die Welt bringen möchte. Wenn es um Reputation geht, dann zählen Inhalte, Substanz und Anerkennung aus dem eigenen Feld heraus – aber keineswegs Enttäuschung, Ärger, Schmerz oder 'Pleiten, Pech und Pannen'.

Keine Titelgeschichte, kein Artikel führt für sich genommen zu Reputation, sondern nur im Kontext mit der Ambition, die dahinter steht. Öffentliche Aufmerksamkeit, vor allem in den neuen Medien, ist extrem fragil und unberechenbar, sie kann jederzeit umschlagen. Deshalb gilt für Sie: Sie kommunizieren Ihre Themen, Ihr Anliegen, Ihre Ambition. Und sonst nichts.

Wir sind an Ihrer Seite.

Ihre Dorothea Assig + Dorothee Echter