Liebe Leserin und lieber Leser! Es scheint selbstverständlich, dass Topmanager und Politikerinnen aus der Rolle heraus, für die sie gewählt sind, die sie jetzt gerade innehaben oder auch aus einer definierten Situation heraus, im Kontext ihres Wirkens agieren. Scheint einfach zu sein – wird aber manchmal vergessen. Mit desaströsen Ergebnissen.

• Wenn ein Ministerpräsident sich kurz vor der scheinbar sicheren Wiederwahl in einem Gesellschaftsmagazin herabsetzend über seine Ehefrau äußert, die er gerade für seine neue Liebe verlassen hat, – dann spricht nicht der kluge, vertrauenswürdige, integre Politiker, sondern ein sich sooo überlegen wähnender Ehemann entwertet seine Frau in der Öffentlichkeit. Nicht gut. Keine Wiederwahl.
  
  
• Wenn ein kluger, internationaler Vorstand dem Hauptinvestor seines Unternehmens einen oberflächlich als freundlich und lustig getarnten, in Wirklichkeit unverschämten Brief voller indirekter Unterstellungen schreibt, weil der Investor ihn nicht schätzt, sondern absetzen möchte, – dann hat nicht der besonnene, strategisch erfahrene Vorstand geschrieben, sondern diesen Brief hat das in seiner Eitelkeit gekränkte, sich völlig überschätzende, emotional überforderte Ego diktiert. Nicht gut. Freistellung. Und zu allem Überfluss stellt der Investor diesen bitterbösen Brief unverzüglich in Netz, sichtbar für alle.
  
  
• Wenn eine gewählte Premierministerin, entgegen ihren Versprechungen, dennoch zur Neuwahl aufruft, sich ganz sicher wähnt, danach noch komfortabler regieren zu können, – dann hat nicht die den Menschen zugetane Politikerin agiert, die aus dem Cameron-Desaster gelernt hat, sondern die kühle Perfektionistin, die sich absichern möchte. Nicht gut. Ganz knappe Mehrheit, alles schwierig.
  
  

Das sichere Gespür für die eigene Rolle, Aufgabe und Wirkung kann in Momenten emotionaler Unsicherheit verloren gehen. Dann handeln Menschen nicht aus ihrem Wirkungskontext, sondern aus ihrer persönlichen Befindlichkeit heraus, legitimiert durch unsinnige Managementlehren wie dem „Authentic Leadership“. Sie lassen aus ihrer persönlichen Stimmung heraus ihrem Ego freien Lauf, sind sich ihrer öffentlichen Wirkung nicht bewusst, überschätzen den eigenen und unterschätzen den Einfluss anderer. Sie definieren Situationen spontan einfach um, so, als könnten sie sich alles erlauben, denn sie FÜHLEN es ja wirklich so (also muss es doch wahr und richtig sein …). Natürlich löst dies Irritationen aus, wenn nicht sogar gleich die Kündigung, Entmachtung oder den Reputationsverlust.